Liebe Cosplayer, liebe Manga-Fans, liebe Comic-Freunde,
mein
Kommentar „Kein Ort für nackte Hasen“ hat eine große Empörungswelle
innerhalb Ihrer Szene ausgelöst, und auch wenn ich nicht auf jeden
Vorwurf eingehen kann, weil es inzwischen zu viele Zuschriften gibt,
möchte ich doch einiges klarstellen.
Zunächst einmal ging es mir
nicht darum, literarische Subkulturen zu diffamieren. Ich bestreite auch
nicht, dass Mangas und Comics zum weiten Feld der Literatur gehören.
Mein Beitrag handelt nicht von der Qualität oder dem fehlenden Niveau
dieses oder jenes Genres. Der Kommentar, der von den Themen der
diesjährigen Messe handelt, ist auch keine Analyse der aktuellen
Manga-Produktion. Selbstverständlich möchte ich auch nicht die Mühen in
Abrede stellen, die sich viele Cosplayer im Vorfeld der Leipziger
Buchmesse machen, um dort dann im mal mehr, mal weniger phantasievollen
Kostüm durch die Messehallen zu schlendern.
Es lohnt sich aber
dennoch zu diskutieren, ob die Art und Weise, wie sich manche Cosplayer
inszenieren, nicht im krassen Gegensatz zu den von der Buchmesse
definierten Zielen steht. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass es in
einem Raum, in dem über Folter und Krieg gesprochen wird, ziemlich
unangemessen ist, sich wahlweise leicht bekleidet oder in grell-lustiger
Verkleidung ablichten zu lassen. Nein, es gibt kein Menschenrecht,
überall in Unterhose aufzutreten, und man geht auch nicht im Sexual
Fantasy Outfit auf eine Beerdigung. Das ist meiner Meinung nach stillos.
Wer die Kostüme und Posen einiger Cosplayer als pseudo-pornographisch
kritisiert, ist indes kein Sexist.
Wäre das Kostümfest auf der
Messe ein Randphänomen, müsste man nicht darüber sprechen. Doch es ist,
wie ich meine, ein Kipppunkt erreicht, der zu der Frage führt, ob beide
Veranstaltungen nicht besser getrennt werden sollten. Schon allein aus
Gründen der stets steigenden Besucherzahlen, die dazu führen, dass
Zugänge gesperrt werden und manche Plätze zeitweise nicht mehr
zugänglich sind. Tatsächlich gibt es sehr viele Aussteller,
Veranstalter, Autoren, Journalisten und Besucher, die sehr ähnlich wie
ich denken, ihre Meinung aber nicht öffentlich auszusprechen wagen und
mir deshalb lieber auf diskretem Wege Mails und Nachrichten zukommen
lassen. Wie hat eine Cosplayerin auf meiner Facebook-Seite geschrieben?
„Wir sind ne Army. Das soll dir eine Lektion sein.“ Diese Haltung,
selbst halbironisch formuliert, sollte zu denken geben.
Mich hat
der Tonfall der Reaktionen bestürzt. Beleidigung einer friedlichen Szene
wird mir vorgeworfen. Dabei zeigen die wüsten Beschimpfungen, dass die
Verbalausfälle und strafrechtlich tatsächlich relevanten Beleidigungen,
die zum Beispiel auf meiner Facebook-Seite auftauchen, ausschließlich
von Seiten der Cosplayer formuliert werden. Es ist vollkommen in
Ordnung, einen Kommentar zu kritisieren und eine Gegenposition
einzunehmen. Doch wie immer bei einem sogenannten Shitstorm, hat sich
die anfänglich lohnende Diskussion schnell verselbstständigt und von der
Ausgangsthese weit entfernt. In der überhitzten Posting-Spirale ergibt
dann eine flugs getippte Hasstirade die nächste. Darüber sollte auch die
empörte Szene nachdenken, die für sich stets Toleranz und Akzeptanz
einfordert.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Carsten Otte
SWR Literatur