Star Wars Episode VIII (Achtung: lang)
Da ich kein eingefleischter Star Wars-Fan bin und z.B. auch vom mittlerweile entcanonisierten EU keine Ahnung habe, bin ich mit dem Film im Grossen und Ganzen ganz gut zurecht gekommen. Soll heissen, ich hab mich nicht schon im Kino gruen und blau geaergert. Es war gutes Entertainment, aber als die Credits anfangen durchzulaufen bekam ich doch das Gefuehl, dass man gut Potential verschenkt und einige z.T. relativ einfach zu flickende Logikloecher entstehen lassen hat. Es bleibt also ein enttaeuschender Nachgeschmack.
Zuerst mal das Positive: Die Weltraumschlachten, die Schauplaetze/Sets (v.a. der Salzplanet mit dem coolen “roter Kristall direct unter einer duennen weissen Kruste”-Gimmick und auch die Tiere, die vielen scheinbar nicht so gefallen?), allgemein die “Visuals”, wie man so schoen sagt und die Musik waren top. Da gab es echt fast nichts dran auszusetzen.
In den Kampfszenen gab es so einige coole Momente und neue Ideen, z.B. Rey, die Kylo ihr Lichtschwert zuwirft und der es dann in den Kopf seines Gegners hinein “an- und direkt wieder ausschaltet”.
Klar, die Actionszenen sind nicht ohne Ungereimtheiten: Wieso sind die Bomber der Rebellen z.B. WW2-Style und muessen sich zum Abwurf ueber ihrem Ziel befinden? Soweit ich weiss, waren die Bomber in den alten Teilen doch bereits mit torpedoartigen Missiles ausgeruestet? Ueberhaupt kann man im Weltraum mangels Schwerkraft Bomben nicht wirklich “abwerfen”! Solche Sachen fallen einem halt im Nachhinein auf, sind fuer mich aber keine Dealbreaker. SW ist eben Weltraum-Fantasy und da kann man ueber sowas hinwegsehen. Genau so geht es mir auch bei der Hyperdrive-Ramme (die coolste Szene im ganzen Film): Jaaa, man kann sich jetzt durchaus die Frage stellen, wieso man in den alten Teilen nicht einfach ein (unbemanntes) Schiff mit Hyperdrive in den Todesstern gecrasht hat, aber die alten Teile sind auch nicht perfekt und solange die Action ueberzeugt, denkt man sich einfach “es wird dafuer schon einen Grund geben, ist halt so, whatever”.
Auch den Casino-Planeten fand ich rein vom Konzept her gar nicht sooo schlimm. Klar, er wirkte ein bisschen altmodisch, aber nur weil der Film in der Zukunft spielt muss ja nicht gleich alles super futuristisch sein. Allerdings muss ich zustimmen, dass es mittlerweile ziemlich nervig geworden ist, in jedem Film eine “Cantina-Szene” zu haben. Man kann sich die Brainstorming-Session fuer das Script lebhaft vorstellen, wo irgendein Typ gesagt hat: “Oh, und NATUERLICH machen wir wieder eine Cantina-Szene! Die Leute LIEBEN das!” Nein. Bitte hoert mit der stupiden Iteration der immer gleichen Ideen auf. Das zeigt einfach nur, dass ihr keine Risiken eingehen wollt und euch stattdessen lieber auf die Nostalgie-Kruecke stuetzt. Vor allem bei der Canto Bight-Nebenstory hat man naemlich gemerkt, dass das Style/Substance-Verhaeltnis irgendwo um die 80/20 lag. Das Writing war naemlich einfach unbeholfen und stumpf (“wir haben die Tiere befreit, unser Abenteuer hatte einen Sinn” – als ob die Casino-Leute diese Herde Pseudopferde nicht einfach am naechsten Tag direkt wieder einfangen).
Allgemein hat mir das Writing an vielen Stellen zu grosse Luecken gelassen. Um mal bei Canto Bight zu bleiben: Rose und Finn sollen also den Codebreaker mit dem roten Blumenanstecker finden. Sie finden ihn, landen aber im Gefaengnis – und dann ist da auf einmal zufaellig noch ein Codebreaker? Meine Gedanken an dieser Stelle: “?????” Was ist jetzt mit dem eigentlichen Typ? Hatte diese Alien-Dame mit der Fliegerbrille nicht gesagt, dass es nur eine Person gibt, die ihnen weiterhelfen kann? Wieso dieses komische Fakeout?
Ueberhaupt ist die ganz Substory mit Finn und Rose seltsam gescripted. Erst einmal wirkt es mega gekuenstelt, dass sich Rose innerhalb von zwei-drei Tagen (?) so unsterblich in Finn verliebt, dass sie am Ende seine Kamikaze-Aktion verhindert. Der Satz, den sie danach sagt (irgendwas mit “nicht die toeten, die wir hassen, sondern diejenigen beschuetzen, die wir lieben”), ist total Banane: Durch ihre Aktion hat sie gerade quasi den gesamten Rest des Widerstands in den sicheren Tod getrieben (Luke rettet nachher natuerlich den Tag, aber zu dem Zeitpunkt konnte sie noch nicht wissen, dass er auftauchen wird)! Ruehrende Sprueche schoen und gut, aber sie muessen schon ein bisschen Substanz haben. Ich halte ausserdem nichts von den Leuten, die sich grundsaetzlich ueber “too much diversity” beschweren und ueberall “muh feminism is ruining Star Wars” heulen, aber Rose als Figur an sich wirkte schon arg ueberfluessig, vor allem als Love Interest fuer Finn. Wenn sie einfach nur eine etwas pummilegere Asiatin unterbringen wollten, haetten sie sie doch als Ersatz fuer Captain Lilahaar casten koennen.
Ach ja, Captain Lilahaar alias Holdo: Das ist der naechste Punkt. Ihr Ding mit Poe war in den Grundzuegen eine gute Idee, aber bereits relative frueh beginnt man sich zu fragen: Wieso gibt es diesen Konflikt ueberhaupt? Haette sie ihm einfach ihren Plan verraten bzw zumindest gesagt, dass es ueberhaupt einen Plan gibt, haette die gesamte Canto Bight-Episode nicht stattgefunden. Dieser Konsistenzfehler ist so offensichtlich, dass man sich fragt, wie das Drehbuch in dieser Form ueberhaupt abgesegnet werden konnte. Dabei ist die Loesung so einfach, ein einziger Satz, sogar gesagt von irgendeinem unwichtigen Nebencharakter, haette es getan: “Es gibt Spione unter uns / der First Order hoert unsere gesamte Kommunikation ab.” Boom. Schon hat man einen Grund, wieso Holdo den Evakuationsplan unter Verschluss halten muss. Man haette sie so als tragische Figur eines Kapitaens darstellen koennen, der seine Crew im Ungewissen lassen muss, um ihr Ueberleben zu garantieren. Aber noe, sie sagt einfach nichts weil Baum. Noch nicht mal die Leute, die unter ihrem Kommando auf der Bruecke waren, hatten eine Ahnung!
Das waren die beiden Sachen, die mich am meisten gestoert haben. Lukes Charakterisierung fand ich seltsamerweise nicht soooo schlimm … auch wenn einige Szenen mit ihm schon Parodie-Charakter hatten (ich sag nur Alien-Melken). Dass er es damals (kurz) in Erwaegung gezogen hat, Kylo zu toeten, halte ich nicht fuer grundsaetzlich unmoeglich. Aber die Kritiker haben schon Recht: Zwischen Luke, wie er im Film gezeigt wurde, und dem Luke in RotJ besteht ein krasser Unterschied. Auch hier ist die Loesung eigentlich relativ einfach: Der Grund fuer Lukes Moment der Unsicherheit war, dass Kylo bereits so stark von Snoke beeinflusst war, dass er glaubte, ihn nicht mehr retten zu koennen. Um seine Handlungen nachvollziehbarer zu machen, haette man also konsequenterweise Snoke als Figur weiter ausbauen muessen. Genau das hat man aber nicht getan, und damit komm ich zu meinem dritten grossen Kritikpunkt an der Story: Man hat Snoke, der in TFA noch als “quasi der neue Imperator” portraetiert wurde, einfach so abgemurkst. Das raubt indirekt der Verbindung zwischen Luke und Kylo, wie schon gesagt, wahnsinnig viel Komplexitaet und Tiefe. Man hat fast schon den Eindruck, dass sich Rian Johnson nicht weiter mit Snoke beschaeftigen wollte, weil seine Figur so viele Grundsatzfragen zur Konsistenz zwischen der OG- und Sequel-Trilogie aufwirft, die man bisher geflissentlich ignoriert hat (Wieso konnte der First Order ueberhaupt so stark werden, obwohl das Imperium doch in Teil 6 geschlagen wurde? Wo nehmen sie ihre ganzen Ressourcen her? Wo war der scheinbar so maechtige Snoke zum Zeitpunkt der OG-Trilogie bzw. wieso hat er keine Rolle gespielt?). Es ist natuerlich irgendwo verstaendlich, dass man sich als Regisseur nicht allzu sehr in solchen Fragen verlieren will. Aber hier war es leider essentiell und fuer eine runde Story bzw. Charakterisierung Lukes unumgaenglich. So, wie es jetzt ist, gibt es fuer Episode 9 kaum noch interessante konkrete Fragen, nur noch ein vages “joa, wie gehts jetzt weiter?”
Rey, naja – man hat ein bisschen versucht, ihr ungewoehnliches Talent mit ihrer speziellen Verbindung zu Kylo zu erklaeren (sie sind die letzten beiden Macht-Nutzer, deswegen erhalten sie beiden einen krassen Power-Boost von der jeweiligen Seite), aber am Ende wirkt es immer noch etwas lahm, dass sie einfach alles und jedes in Nullkommanix drauf hat. Dabei gab es auch hier interessante Ansaetze, z.B. dass sie zu Beginn ihres Trainings direkt der dunklen Seite nachgibt. Daraus wurde dann aber mal wieder nix gemacht und es kam nur diese sinnentleerte Spiegel-Szene. Auch bei der finale Konfrontation mit Kylo hat man wieder die “safe” Version gewaehlt, indem man sie sich fuer die gute Seite hat entscheiden lassen. Es waere mMn ein interessanter Twist gewesen, wenn sie sich (voruebergehend, bis zur naechsten Episode) mit Kylo verbuendet haette. Waere sie in der Szene, in der Yodas Macht-Geist auftaucht, anwesend gewesen, haette man das noch weiter ausbauen koennen. Ueberhaupt ist dieses Ganze “lassen wir das Alte sein und fangen mit etwas Neuem an” eine neue Ide emit Potential, der es aber leider an Fleisch auf den Knochen fehlt.
Insgesamt: Anschaubarer Film mit viel verschenktem Potential und unnoetigem Ballast. Man merkt der Sequel-Trilogie an, dass die Regisseure gerne freie Hand haetten und sich mit neuen Ideen austoben wollen – aber Sequels binden einen nun mal leider an das, was vorher passiert ist.
5~6/10 Punkten