Beiträge von Pilop im Thema „Der Netflix Thread“

    @Bandersnatch
    Wie ich hier im Thread gerade sehe habe ich entgegen meiner Erwartungen offensichtlich nicht alle Enden-Variationen erwischt. Favorit der von mir gesehenen war jedenfalls

    Apostle
    Nach dem sehr guten Haunting of Hill House beweist Netflix mit Apostle, dass man auch sehr miesen Horror produzieren kann :wink: Der Film ist in meinen Augen ziemlicher Schrott, schon allein weil der Hauptdarsteller gefühlt einen einzigen Gesichtsausdruck hat. Da will er unerkannt eine Sekten auf einer einsamen Insel infiltrieren um seine entführte Schwester zu retten und dann rennt er die ganze Zeit mit einem Gesichtsausdruck herum als wolle er sofort jeden der ihn begegnet abstechen. So ein Typ wäre normalerweise schon am Landungssteg sofort einkassiert worden. Horrormäßig werden einem sowohl Fantasymonster- als auch Folter-Horror geboten aber das ist halt alles mehr grauslich als gruselig. Ich musste mich am Schluss eher zwingen ihn überhaupt zu Ende zu schauen. Es ist mir unverständlich, wie der Film auf Imdb doch noch auf 6,4 kommt.

    In Sabrina habe ich inzwischen auch reingeschaut und muss sagen, dass ich ein eher spezielles Problem mit der Serie habe. Bisher habe ich bei derlei Vorwürfen ja immer die Augen gerollt bzw. auch dagegen argumentiert, aber hier überkommt mich zum ersten Mal selbst das Gefühl, dass man schon etwas krampfhaft auf "Diversity macht". Ihre ganzen Freundinnen gehören Minderheiten an um an ihnen aktiv entsprechende Thematiken abzuspielen (Black Power/Black Lives Matter, Mobbing Homosexueller etc.), sie gründen dann auch noch einen Frauenklub für derlei Leute, wo sich weitere Minderheiten sammeln, samt Wicca-Thematik (die in meiner Wahrnehmung ja mit dem ganzen geheime, mysteriöse Kräfte der Frau angehaucht ist); an der Schule kämpfen sie gegen den bösen konservativen, weißen, heterosexuellen Direktor; ihr Cousin ist schwarz... und schwul; an Harvey handelt man überkommene Männlichkeitsbilder ab, Kraft vs. Kreativität; und im Hexenreich scheint mir auch mitzuschwingen, dass Hexen eigentlich mächtiger wären als Warlocks und ihre Macht durch Regeln etc. unterdrückt wird (mal ganz abgesehen von der grundsätzlichen Thematik sich nicht einem höheren Wesen/Mann zu fügen, sondern eigenständig zu bleiben). Ehrlich gesagt ist das für mich hier schlicht schon etwas too much in dieser Konzentration und eigentlich finde es auch irgendwie schon lächerlich. Als die Homosexualität ihres Cousins klargestellt wurde war mein Gedanke nur noch "Was auch sonst... musste ja so sein..". Wie gesagt, ist für mich eine Premiere, dass mir das mal so (negativ) auffällt und mir die Lust am Weiterschauen nimmt (wobei ich die Serie bisher allgemein jetzt nicht übermäßig gut finde, wenn es auch mal ein erfrischender neuer Ansatz ist für die Marke).

    Die Serie macht auf mich bis jetzt keinen schlechten Eindruck, ist nicht so uninteressant, ich habe aber irgendwie mehr erwartet, nachdem es in den sozialen Medien hieß, dass die Serie soooo gruselig sein soll, für mich wirkt es eher wie so ein typisches familiendrama mit ein paar übernatürlichen Elementen, so richtige schocker sind ja in den ersten 4-5 folgen bisher noch nicht vorgekommen.

    An der Serie scheiden sich was den Horror betrifft halt schon auch die Geister bzw. die Geschmäcker. Neben all den positiven Kommentaren - denen ich mich anschließe - habe ich schon auch öfters die Kritik gelesen, dass die Serie ja nicht gruselig sei und zu wenig Horror hätte. Wenn dann nachgefragt wird kommt allerdings heraus, dass der Horror bei den Kritikern meist mit Dingen wie Jump-Scares gleichgesetzt wird. Ich kann jetzt nur für mich sprechen, aber gerade der Umstand, dass man mit derlei Dingen hier sparsam umgeht ist eine der Stärken der Serie. Statt auf derlei - für mich eher billige - Schockeffekte setzt man auf eine Atmosphäre stetiger Bedrohung. Dass zB sich die Geister teilweise von den Protagonisten unbemerkt im Hintergrund manifestieren und dort verbleiben anstatt plötzlich hinter ihnen aufzutauchen und sie zu schocken zeigt schön den Unterschied dieser Stile. Es geht darum stete Unsicherheit, Unbehagen und Bedrohung zu erzeugen. Man kann das denke ich auch als Old School Geister-Horror bezeichnen. Geister manifestieren sich nicht ständig, sondern machen sich anderweitig bemerkbar, sei es durch Klopfen, sich bewegende Türschnallen oder eben auch nur durch flüchtiges Auftauchen im Schatten. Persönlich fand ich ja sogar, dass die Geister noch zu oft gezeigt wurden.


    Inzwischen habe ich die Serie jedenfalls fertig geschaut. Sie enttäuscht auch in ihrer zweiten Hälfte nicht, allerdings ist das Ende für mich nicht vollkommen gelungen. Während man das Familiendrama bzw. den Familienhorror vernünftig auflöst, kommt das Haus an sich in meinen Augen etwas zu kurz. Eine vernünftige Aufklärung quasi des eingesessenen Horrors vor der Familie hätte den Schluss eindeutig abgerundet.

    Habe bis jetzt fünf Episoden von The Haunting of Hill House gesehen und kann mich (bis jetzt) dem Lob für die Serie nur anschließen. Bisher war ich es ja gewohnt, dass alle Neuverfilmungen dieses Stoffes schlecht sind und nicht an den Film von 1963 heran reichen. Der doch radikal andere Ansatz dieser Serie funktioniert aber wirklich gut. Das Arbeiten mit den zwei Zeitebenen und die damit thematisierten Auswirkungen der damaligen Ereignisse auf die Familienmitglieder (samt des nun wiederkehrenden Spuks) wertet die Geschichte stark auf. Dadurch ist es eben nicht mehr nur ein Horrorfilm, sondern auch Familien- und Charakterdrama. Obwohl die Serie nicht stark übertreibt was den Spuk betrifft, hätte ich sie mir aber doch noch eine Spur dezenter gewünscht. Trotzdem ist die Serie zumindest bis zur Hälfte sicher das beste Horrorwerk, das ich seit vielen Jahren gesehen habe.