Und ich bin seit letzten Donnerstag auch komplett durch mit diesem Abenteuer. Man muss ganz klar sagen, dass dem Spiel eine gewisse Zeit gegeben werden muss. Nach dem ersten Ende weiß man nicht viel, nach dem zweiten schon etwas mehr und erst dann entwickelt sich eine dynamischere Handlung. Bis dahin vergehen beim ersten Spielen aber mit Sicherheit 20-30 Spielstunden. Innerhalb jener Zeit habe ich die Charakterisierung der Figuren auch als etwas schwach empfunden. Vielleicht liegt es daran, dass man einen anderen Fokus gesetzt hat, vielleicht ergibt es sogar Sinn, wenn diese blass bleibt, haben wir es hier mit Androiden zu tun. Nichtsdestotrotz kann man diese blasse Erscheinung in der Charakterisierung intensivieren, der Figur mehr Persönlichkeit oder Facetten geben ohne diese Art von Richtung zu verlassen. Da habe ich mir bis zum Ende mehr gewünscht. Subtile oder manchmal explizite Szenen gibt es, aber man hätte mehr machen können. Zumindest mich hat man damit nicht vollends abholen können.
Davon abgesehen liefert die Handlung auch erst im späten Verlauf antworten, während man in der Anfangsphase so ziemlich komplett im Dunkeln gelassen wird. Hier geht es mehr um die Erkundung der Welt und die Ausführung der Mission. Dafür sind wir ja da gewesen. Maschinen besiegen, Menschheit retten, Erde zurückholen. Diese Einfachheit wird dann durch die Maschinenwesen an sich gebrochen, die einfach anders agieren. Es gibt feindlich gesinnte Genossen, aber auch vollkommen friedliche Maschinen. Sogar ein Dorf, in denen Maschinen zusammen leben. In Harmonie, Frieden und Freude. Sie haben Familie, interagieren miteinander. Es gibt Papa, Mama Maschine und Kinder. Ob man dies annimmt oder nicht, liegt ganz bei uns. Schließlich kann man die friedlich lebenden Maschinen im Vergnügungspark auch einfach töten. Leider hat das überhaupt keine Konsequenzen, da sie später wieder spawnen werden. Dennoch ist klar, was damit bezweckt werden möchte: Die Maschinen weisen Ähnlichkeiten mit den Menschen auf, ähneln damit auch den Androiden und sie zerstören damit unser Weltbild. Gerade das wirft Fragen auf. Warum möchten sie den Menschen ähnlich sein? Kann ich ihnen Menschlichkeit zusprechen oder nicht? Auch das ist wieder etwas, dass wir für uns selbst entscheiden können. Das Leben der Maschinen sowie die Informationen, die man im Verlauf erhält, sind aber durchaus beeindruckend oder zumindest anregend. Sind die Hauptcharaktere, also die Androiden, nicht auch irgendwie eine spezielle Art von Maschine? Eben eine, die mehr nach dem Menschen kommt, aber...was ist der Mensch überhaupt?
Diese grundlegende Frage oder Suche nach der Menschlichkeit ist ein tragendes Element in NieR: Automata. Wenn es euch anspricht, dann wird die Reise spannend werden und wenn nicht, dann erscheint die Handlung wohl etwas verwoben, uneindeutig und wenig explizit. Man spielt mit vielen subtilen Tönen, das ist in Ordnung. Aber ein wenig mehr Direktheit hätte ich mit gewünscht gehabt. Dahingehend auch die Einbindung von Cutscenes, von denen es gar nicht so viele gibt. Dies wäre ein Instrument für Direktheit gewesen, eines das auch die Figuren besser zur Geltung bringt oder eines, um das Design, die Inszenierung und Action brachialer zu zeigen. Das hat mir dann doch gefehlt. Auch mehr Tiefe im Kampfsystem hätte dem Spiel gut getan. In dieser Form sind die Kämpfe sehr unterhaltsam, flüssig und stylish, aber ein Hauch mehr Vielschichtigkeit wäre gut gewesen. Fernkampf mit Pod, spezielle Pod Programme sowie verschiedene Waffen können das nun auch nicht kaschieren. Im Endeffekt ist es angreifen und ausweichen. Mehr wird nicht verlangt.
Bezüglich der Bossgegener lässt sich sagen, dass sie mir viel Spaß bereitet haben, diese in der Gesamtheit aber gar nicht so großartig beeindrucken. Dafür ist die Inszenierung in solchen Phasen zu schwach (keine on point wow Cutscenes ala Bayonetta) und auch das Design ist mir dann nicht ausgefallen genug, obwohl gerade das Design eine Stärke des Spiels ist. Hinzu kommt, dass man einen Bossgegner einfach öfter treffen wird. Ich kann diese hässliche Maschine mit Kreissägen echt nicht mehr sehen. Außerdem fehlt bei den meisten ein erzählerischer Hintergrund. Ach, das sind doch nur Maschinen, was soll man schon erzählen können? Hätte ich angenommen, aber wenn man sich den Boss im Vergnügungspark anschaut, dann ist es etwas anderes. Die Macher haben es dort nämlich geschafft eine erzählerische Metaebene einzubauen, die Vergangenheit mit Gegenwart verbindet, dem Boss damit sogar punktuelle Tiefe verleiht. Außerdem ist das Design hier sehr beeindruckend, der Soundtrack on point und die Spielmechanik genau richtig! Begeisterung hat sich in mir breit gemacht! Drei Mal habe ich diesen Boss nun schon besiegt (momentan in meinem zweiten Spieldurchlauf). Hinzu kommt diesere phänomenaler Track. Das ist Wahnsinn! Doch so oder so ähnlich hätte ich mir die weiteren Bosskämpfe auch gewünscht. Das muss und kann nicht immer der Fall sein, aber man hätte gerne wieder in diese Richtung gehen können. So bleibt auch der letzte Endkampf meiner Meinung nach hinter seinen Möglichkeiten zurück, weil unspektakulär. Soll also heißen, dass NieR: Automata ein tolles Design hat, auf vielen Ebenen sehr stylish ist und auch die Inszenierung einfach drauf hat, diese aber nicht immer und konstant zu nutzen weiß oder möchte. Auch die Gegnerarten sind vom Gameplay sowie vom Design her zu homogen, an dieser Stelle fehlt es an Abwechslung, die definitiv möglich gewesen wäre, schaut man sich das Szenario mit seinen vielen Freiheiten einfach mal an. Einerseits zeigt das Spiel eine gute Portion Kreatitivät, andererseits fehlt es dann bei Gegnern, Bossgegnern, Cutscnes und Figurencharakterisierung an richtig packende oder erinnerungswürdigen Momenten. Zumindest auf konstante Sicht gesehen, denn erinnerungswürdig ist NieR: Automata schon, aber eben nicht so sehr, wie es hätte sein können. Es hat seine Momente, bleibt aber dann doch zu passiv.
Ich für meinen Fall hatte sehr viel Spaß und würde das Spiel zwischen 8,5 und 9,0 einordnen wollen. Ein zweiter, stärker reflektierter Spieldurchlauf meinerseits wird mich hoffentlich erleuchten. Vielleicht sehe ich in einigen Verstrickungen oder Belanglosigkeiten auch mehr Sinn. Allerdings bin ich kein Freund der Überinterpretation, in der jedes kleine Element so ausgelegt wird, dass es mit dem Spiel irgendwie passt. Das ist für mich Pseudo Tiefgründigkeit. Manchmal ist es auch nur Zufall.