@Pilop
Ich stimme dir ja zu, dass ein Teil seiner Argumentation kontrovers ist. Ich würde aber nicht von ignorant sprechen. Wie du sagtest, liegt das Problem auch an den unterschiedlichen Selbstverständnissen der US-Amerikaner und Franzosen.
Ignorant ist er für mich wie gesagt in erster Linie nicht weil er diesen Witz gemacht hat, sondern weil er selbst nach der Kritik, die ihn auf das Problem aufmerksam macht, nicht versucht es zu verstehen. Dass er den Kritikern dann auch noch falsche Worte in den Mund legt ist hingegen eine Frechheit. Und während ich ja eben auch die unterschiedlichen Identitätsvorstellungen zwischen den USA und Europa als einen der Gründe für das Unverständnis halte, denke ich schon, dass die an ihm geübte Kritik auch bei US-Verhältnissen gültig wäre. Während man in den USA eben weit stärker die ursprüngliche Herkunft der Familie als Teil der Identität betrachtet, ist die Identität als US-Amerikaner gleichzeitig aber vielleicht sogar noch wichtiger als bei uns, was sich auch im stärker zur Schau gestellten Nationalismus äußert. Sie sind eben US-Amerikaner UND irgendwas anderes. Und genau das war ja die Kritik an ihm. Er hat den Fußballspielern nicht zugestanden zuallererst Franzosen zu sein, sondern sie auf ihre - rein potentielle - Herkunftsidentität reduziert. Würde man den Schwarzen oder Hispanics in den USA erzählen sie wären Afrikaner und Latinos, aber keine US-Amerikaner, würde auch ein Shitstorm sondergleichen losbrechen. Wenn man es dahingehend betrachtet ist der Unterschied zwischen den USA und Europa wohl nicht so groß. Da wie dort geht es zunächst einmal darum an erster Stelle Bürger des jeweiligen Landes zu sein. Der Umgang mit "Zweitidentitäten" ist dann hingegen anders.
Auch im Fall von Özil ist ja - soweit ich das mitbekommen habe, intensiv habe ich das nicht verfolgt - eines der Hauptprobleme (neben Sympathie für einen Autokraten), dass mit der Aktion seine Primäridentität als Deutscher von ihm selbst in Frage gestellt wurde.